Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft in Graz

Anthroposophische Heilpädagogik

 

"Vor allem müssen sie sich klar sein darüber,
dass der Geist immer gesund ist." (Rudolf Steiner)

 

Im Jahr 1924 begründete Rudolf Steiner mit dem „Heilpädagogischen Kurs“ eine neue, bahnbrechende Form der Erziehung und Förderung „Seelenpflege-bedürftiger“ Kinder. In der Folge blieb es nicht nur bei der Arbeit mit Kindern, sondern erweiterte sich auf Jugendliche und erwachsene Menschen mit Behinderungen verschiedenster Art.

Grundsätzlich basiert die anthroposophische Heilpädagogik auf einer Methode, die vom Wahrnehmen der Phänomene ausgeht. Behinderungen, Auffälligkeiten, Störungen – alles was dem gewöhnlichen Blick als nicht „normal“ erscheint -  bedeutet, dass sich bestimmte Tendenzen auf körperlicher, seelisch-geistiger oder sozialer Ebene  zu stark, zu schwach oder einseitig ausgebildet haben.

Die Sicht auf den „behinderten“ Menschen hat sich im Lauf des letzten Jahrhunderts grundsätzlich gewandelt. Aus dem Nicht-Hinschauen auf ein Problem entwickelte sich Verantwortungsgefühl und der Wunsch zu helfen. Die Einsicht, dass beim Menschen mit Behinderung der geistige Wesenskern unversehrt ist  und die Persönlichkeit sich durch eine gestörte Konstitution äußern muss, verdanken wir Rudolf Steiner. So ermöglicht uns das Zusammenleben und –lernen mit  Menschen mit Behinderung die Sicht auf uns selbst und unsere eigenen „Unnormalitäten“.  Wird die notwendige Aufgabe der Selbsterziehung  vom Erzieher angenommen, kann es zwischen ihm und dem Menschen mit Behinderung  zu einem Resonanzgeschehen kommen,  das oft die Grundlage für die heilpädagogische Begegnung bildet.

Die heilsame Situation in einer Inklusionsklasse beruht wohl auch auf dem Übertragen von Interesse und  Begeisterung der nicht behinderten Kinder auf ihre behinderten Klassenkameraden.  Die Lust am Lernen, das Interesse am Neuen überträgt sich auf geheimnisvolle Weise auf Kinder mit eingeschränkten Möglichkeiten und andererseits beeindrucken diese durch ihr Bemühen um kleine Fortschritte die Gruppe der nicht behinderten SchülerInnen.

Walter Holtzapfel beschreibt das Zusammenleben mit Seelenpflege-bedürftigen Menschen so: „Diese Aufgaben halten uns nicht von vielleicht notwendigeren Tätigkeiten ab, sondern sie sind geeignet, uns zu Fähigkeiten und Erkenntnissen zu verhelfen, die wir ohne die behinderten Kinder nicht errungen hätten.“

Ilse Denk